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Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer

Varied Lessons Switzerland-wide

Das Aufkommen von ChatGPT und ähnlichen Tools wurde Ende 2022 von einem grossen Hype begleitet.

Die Meldungen über Fähigkeiten des «intelligenten» Chatbots überschlugen sich und einige verglichen das neue Werkzeug mit der Erfindung des Internets. Doch ist dem so? Und wenn ja, wie lassen sich solche Systeme sinnvoll im Unterricht einsetzen?

«Wie würdest du ein Referat über hinduistische Schriften und Zeichen strukturieren?», tippt mein 11-Jähriger in den GPTPrompt. Vierzig Sekunden später hält er eine A4-Seite mit Tipps und Strukturvorschlägen für den Vortrag in der Hand. Das ist in der Tat faszinierend, nicht nur für einen Fünftklässler. Allerdings ist das Referat damit noch nicht fix vorbereitet und schon gar nicht gehalten. Aufbauend auf der Strukturvorlage recherchiert mein Sohn nun über andere Kanäle weitere Details und Illustrationen für seinen Vortrag. ChatGPT liefert also lediglich eine Grundlage.

 

Ein anderes Beispiel für eine schulische Anwendung ist das Einholen von Rückmeldungen auf einen selbst verfassten Aufsatz. ChatGPT kann detailliertes Feedback zum Inhalt oder zur Rechtschreibung geben und Verbesserungsvorschläge liefern, wenn auch (noch) nicht auf dem Niveau einer Lehrkraft. Für einen ersten Anhaltspunkt reicht es aber allemal. Die computergenerierte Rückmeldung ist zudem «neutraler» und nicht durch die Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler beeinflusst. Dies erhöht je nach Situation die Akzeptanz bei den Schülerinnen und Schülern. Im «Sokratischen Modus» kann ChatGPT sogar als geduldiger, persönlicher Lehrer dienen. Gemeinsam mit dem Bot können Schülerinnen und Schüler auf Basis der sokratischen Fragetechnik unterschiedliche Themen diskutieren, Ideen erforschen und Inhalte mit Logik kritisch hinterfragen. Dabei kann die Technik auch helfen, eigene Wissenslücken zu identifizieren.

 

Neben diesen Positivbeispielen gibt es aber auch Grenzen bei der Anwendung von ChatGPT. Der Bot halluziniert zum Teil. Was wohl daher rührt, dass er auch auf der Basis von fiktionaler Literatur und Falschinformationen trainiert wurde. Seine fingierten Inhalte und Lügen sind eloquent formuliert, so dass er uns in Windeseile hinters Licht führt. Da braucht es schon eine gehörige Portion an kritischem Geist, um der Maschine auf die Schliche zu kommen. Aber gerade Kritikfähigkeit gilt als wichtiger Teilbereich von Medienkompetenz und wird im Umgang mit dem Bot unweigerlich geübt. Die Fähigkeiten der Maschine können zudem dazu verführen, Aufgaben auszulagern, die eigentlich von den Schülerinnen und Schülern selbst hätten erledigt werden müssen. Hausaufgaben zur Vertiefung des Lernstoffes sind schnell an den Bot delegiert, doch Lerneffekt und Motivation bleiben dabei auf der Strecke.

 

ChatGPT, Bard und Co sind mächtige Werkzeuge für die Schule, wenn sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort eingesetzt werden. Wichtig ist, dass Schülerinnen und Schüler lernen, dass diese Tools ihre Fähigkeiten ergänzen, nicht aber ersetzen. 

 

 

 

Gregor Waller, Medienpsychologe, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

 

Gregor Waller ist Co-Leiter der Fachgruppe Medienpsychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Er lehrt und forscht rund um den Medienumgang von Kindern und Jugendlichen. Wichtige Projekte sind die JAMES- und die MIKE-Studie, die einen repräsentativen Überblick zum Medienverhalten dieser Altersgruppen in der Schweiz geben.